Genauso wie es in Belgien das sog. Treuemarkensystem zu Gunsten der im Bausektor beschäftigten Arbeiter gibt, gibt es in anderen Ländern ähnliche Systeme. Treuemarken sind Leistungen des belgischen Existenzsicherungsfonds des Bausektors an die Bauarbeiter.

In Deutschland gibt es diesbezüglich beispielsweise die Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-BAU).

Oftmals ist fraglich, ob ein bestimmtes Unternehmen der Beitragspflicht zu dieser Sozialkasse unterliegt.

Wir möchten hier in diesem Zusammenhang auf ein interessantes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.07.2021 (10 AZR 190/20) zur (fehlenden) Beitragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft im Falle eines typischen Bauträgers hinweisen.

Hintergrund des Urteils

Strittig war, ob ein Bauträger mit der Rechtsform einer GmbH dieser Beitragspflicht unterliegt. Unternehmensgegenstand der GmbH ist die Beschaffung von Grundstücken, die Entwicklung und Steuerung von Projekten sowie die Projektentwicklung und Baubetreuung. Zum Tätigkeitsspektrum gehören zudem Vertriebs-, Mietverwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben sowie Hausreinigungs- und Gartenpflegearbeiten. Die GmbH beschäftigt zwei Arbeitnehmer auf den Baustellen und neun Arbeitnehmer in verschiedenen Funktionen (Buchhaltung, Assistenz, Mietverwaltung etc.).

Quintessenz des Urteils

Folgende Kernaussagen lassen sich mitnehmen:

1) Um zu beurteilen, ob ein Betrieb dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterfällt, ist grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegend ausgeübteTätigkeit des Arbeitnehmers abzustellen. Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte sind gleichermaßen zu berücksichtigen.

2) Von Angestellten erbrachte Tätigkeiten, die isoliert betrachtet keine baugewerblichen Tätigkeiten darstellen, können gleichwohl einen baugewerblichen Charakter haben, wenn sie im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten erbracht werden.

3) Die (klagende) Sozialkasse ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Tätigkeit der Angestellten eines Unternehmens hauptsächlich baugewerblich geprägt ist.

4) Ein Unternehmen, in welchem das Personal hauptsächlich damit beschäftigt ist, Grundstücke zu entwickeln, die Planung zu erstellen, darauf anschließend durch Subunternehmer Gebäude errichten zu lassen, sie zu vermarkten und letztendlich zu verkaufen, unterliegt als Bauträgerbetrieb nicht der Beitragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.

Für Rückfragen zum Treuemarkensystem in Belgien und einer möglichen Befreiung hiervon sowie zur SOKA-BAU stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Stand: 10.03.2022